Geschrieben am 13.01.2018 00:05:25
Von
Verena.R.
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1 Antworten
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Wir fahren zwar schon seit 25 Jahren regelmäßig nach Griechenland und da wir mittlerweile bereits einen großen Freundeskreis dort haben, ist uns die Problematik der griechisch-deutschen Geschichte durchaus bewusst. Auf dem Festland ähnelt die Sichtweise der Griechen zur deutschen Besatzung oft verblüffend der Sichtweise der Russen, d.h. man assoziert die Deutschen von heute nicht automatisch mit den Untaten der Nazis. Man unterscheidet also sehr wohl zwischen der Bevölkerung des ehemaligen Feindes und den Verbrechen welche im Namen eines unmenschlichen Regimes begangen wurden. Ich denke einmal dies liegt auch daran dass sowohl Russen als auch Griechen ihrerseits einschlägige Erfahrungen mit verbrecherischen Regimes im eigenen Lande gemacht haben. Auf Kreta waren wir im letzten Oktober das erste Mal und wenn es spät im Jahr deutlich ruhiger geworden ist, sind die Einheimischen schon einmal eher zu einem politisch-philosophischen Gespräch bereit. Da wir wussten dass gerade Kreta aus strategischen Gründen besonders erbittert umkämpft wurde, hat uns natürlich das Thema deutsche Kriegsverbrechen besonders interessiert. Genauso wie auf dem festland gehen die Griechen mit diesem Thema erstaunlich offen um, sind aber genauso wenig persönlich nachtragend wie die Festlandsgriechen: Das Naziregime war sehr schlimm,die Kriegsverbrechen dürfen auf keinen Fall vergessen werden und der deutsche Staat sollte sich endlich zu seiner Verantwortung bekennen. Eine persönliches Schuldbewusstsein erwartet man aber von uns Deutschen nicht, ganz anders als es die eigene Politik bei uns ständig einfordert und die eigenen Hände gerne in Unschuld waschen möchte. Nur vergessen sollen wir die Verbrechen als Deutsche bitte nicht. Und dann kommt immer wieder automatisch das Thema türkische Besatzung zur Sprache. Ich glaube nichts hat die stolzen Kreter auf ihrer seit Jahrtausenden umkämpften Insel mehr traumatisiert als Türkenherrschaft. Was insofern erstaunlich ist, da die Türken wohl nicht mehr Kreter auf dem Gewissen haben dürften, als dort der bis in die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts praktizierte Blutrache zum Opfer gefallen sein werden. Mein Fazit: Verbrechen, besonders Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung, werden als sehr schlimm empfunden, aber das Schlimmste ist wohl das gewaltsame Überstülpen einer völlig fremden Kultur. Hätten die Nazis die Kreter genauso kulturell "umzuerziehen" versucht wie es die Türken praktiziert haben, ich glaube dann wären heute deutsche Touristen dort genauso unerwünscht.
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