Anogeia - Ort der Kämpfernaturen

"Sie besitzen einen unglaublich starken Willen. Wenn jemand nicht so will wie sie, dann können sie ihn niederstrecken." Dies sagte ein an der Küste lebender Kreter in einem Gespräch über die Anogeioten.

Man muss ja nicht immer alles glauben, was diese phantasiereichen Insulaner sagen. Aber die Worte des Kreters hatten mich trotzdem neugierig gemacht. Und so machte ich mich ein paar Tage später auf nach Anogeia. Dabei achtete ich natürlich darauf, dass ich durch mein Auftreten keine noch so orthodoxen Regeln brach. Angemessen keusche Kleidung statt leichte Beachwear war angesagt. Sogar das traditionelle kretische "sariki", ein handgehäkeltes Souvenir, das ich hatte, musste weichen. Damit es die Dorfleute nicht als Nachahmerei ihrer Tradition durch eine Nichteingeweihte empfanden.

Als ich oben im Dorf war, sah schon nur die Landschaft alles andere als unheil verheissend aus. Und als ich dann etwas später in eine Taverne einkehrte, war die Bedienung sehr freundlich. Die Wirtin war eine ruhige, sanfte Frau.

Nachher streifte ich noch durch die Souvenirläden. Jetzt war doch die Energie zu spüren, welche die Anogeioten besitzen: Die Ladenverkäufer müssen sich dort oben, wo es kaum Touristen hat, ihre Kundschaft richtig erkämpfen. Am Schluss hatte ich jedenfalls, gutmütig wie ich bin, ziemlich vielen Verkäuferin den Gefallen getan und was gekauft.

Tja, zwar sagt ein nur vierstündiger Besuch uns nicht viel über den Charakter der Dorfleute. Aber eines ist mir jetzt klar: Die Anogeioten, die ich getroffen hatte, sind selbstbewusste, freundliche Leute, welche auf ihre dörfliche Welt (zurecht!) stolz sind. Sie hegen so viele traditionelle Dinge, vom Weberhandwerk bis zu ihrem urigen Dialekt, der genauso faszinierend wie kompliziert und schwer klingt.

Wer in Kreta war und Anogeia noch nicht gesehen hat, der hat mit Sicherheit etwas verpasst.